Die titelgebende Arbeit bezieht sich nicht nur auf das uns allen bekannte Selbstgespräch, mit dem wir guten Vorsätzen zu entkommen versuchen, "Verschieben wir es auf Morgen" ist auch der von Scarlett O’Hara (Vivien Leigh) meistgesagte Satz im Kultfilm "Vom Winde verweht". Andreas Oehlert macht in diesem Wandobjekt wie in vielen seiner Arbeiten persönliche Vorlieben und
Erinnerungsstücke zum Ausgangspunkt für die sanft-bissige Bespiegelung des Betrachters - seiner Sichtweisen, seines Kunstverständnisses, seiner selbst. Wie in allen Skulpturen, Fotoarbeiten und Zeichnungen der Ausstellung geht es im Objekt "Verschieben wir es auf Morgen" um Zeit, Vergänglichkeit, Schönheit und Tod – spiegelbildlich zur Filmfigur Scarlett, die ihr Leben lang von einer Sehnsucht getrieben wird, die sich nie erfüllt.
Zwei weitere skulpturale Objekte ziehen in der Oechsner Galerie unmittelbar Aufmerksamkeit auf sich: filigran auf Fäden drapierte Wimpern im Glasschaukasten sowie eine gepeinigte Kasperlfigur, deren Dauerlachen durch Ketten und Kugeln beschwert zum Martyrium wird.
Auch drei neue Arbeiten aus Andreas Oehlerts Serie "stagebeauty" machen den Betrachter zum Teil einer bühnenbildartigen Gesamtinstallation. Zu den vor glänzend schwarzem Hintergrund fotografierten Objekten gehört die auf der Einladungskarte abgebildete Kerzenskulptur: Wintersonne am Fenster hat bei den ursprünglich kerzengerade ausgerichteten Wachskörpern zu melancholisch-weicher Erschlaffung geführt. Sexuelle Anspielungen scheinen bewusster Teil der Inszenierung zu sein.
Die in der Ausstellung gezeigten Zeichnungen bilden eine eigenständige Werkgruppe und korrespondieren gleichzeitig mit Objekten und Fotoarbeiten. "Morgengrau" hat Andreas Oehlert die aktuelle Serie von Papierarbeiten benannt, die in meisterhafter Feinarbeit Kreis um Kreis, Wimper um Wimper, Farbschattierung um Farbschattierung entstanden sind. Mit höchster Konzentration, schier unendlichem Erfindungsreichtum und poetischer Kraft zieht uns Andreas Oehlert stärker denn je in seinen Bann.